Warum diese Seite?

Als die Proteste gegen Stuttgart 21 Ende 2009 stärker wurden, habe ich mich intensiver mit dem Thema "Stuttgart 21" auseinandergesetzt, mittels diverser Medien: Zunächst die Lokalpresse, Websites von Befürwortern und Gegnern usw. Leider hatte ich das Gefühl, dass insbesondere Tageszeitungen eher oberflächlich berichten und oft nicht genügend in die Tiefe gehen. Inzwischen habe ich mit diversen Politikern, dem Projektbüro von Stuttgart 21, Ämtern und anderen Stellen kommuniziert und mir mein eigenes Bild über Stuttgart 21 gemacht. Ich möchte meine Erkenntnisse mittels dieser Seite teilen. Mehr über mich.

Sonntag, 24. Oktober 2010

S21 bringt Verkehr von der Straße auf die Bahn und reduziert den CO2-Ausstoß

Von Seiten der Projektverantwortlichen wird immer wieder herausgestellt, dass Stuttgart 21 Verkehr von der Straße auf die Bahn bringt. Aus ökologischen Gesichtspunkten ist es natürlich absolut wünschenswert Verkehr von der Straße zur umweltfreundlichen Bahn zu verlagern.

Leider sind die in dem Zusammenhang genannten Zahlen des ökologischen Wertes des Projektes Stuttgart 21 recht unterschiedlich, wenig glaubwürdig oder sogar widersprüchlich. Im Schlichtungsgespräch am vergangenen Freitag (22.10.2010) und nachzulesen auf der Projektseite, erklärte Bahn-Vorstand Kefer "Rund 2 Millionen zusätzliche Fahrgäste durch S21 und die NBS Wendlingen-Ulm" zu gewinnen, dies solle zu einer "Einsparung von ca. 100 Tsd. Tonnen CO2 pro Jahr" führen. Im Jahr 2006 war in Deutschland der Flottenmix des CO2-Ausstoß  im Fernverkehr ca. 200 g/km für Pkw. Zur Fertigstellung von Stuttgart 21 im Jahr 2019/2020 wird der CO2-Ausstoß durch neue Hybrid-Technologien etc. sicherlich deutlich geringer sein, schon heute ist der Durchschnittsausstoß der Neuzulassungen bei ca. 160 g/km, im dritten Jahrzehnt dieses Jahrhunderts sind somit 150 g/km CO2 als Flottenmix sicher realistisch. Die Bahn ist selbst natürlich auch nicht emissionsfrei, nach eigenen Angaben erzeugt ein Personenkilometer bei der Bahn ca. 50 g/km CO2. Sollten die 2 Millionen zusätzlichen Bahnfahrgäste im Jahr tatsächlich 100.000 Tonnen CO2 einsparen, bedeutet dies, bei einem Netto-Mehrausstoß von 100 g/km (= 150 g/km - 50 g/km), dass diese 1.000.000.000 km mit der Bahn statt mit dem Auto fahren müssten, das ist eine durchschnittliche Fahrstrecke von 500 km! Eine beachtliche Durchschnittsstrecke, dafür, dass ja auch der Nahverkehr durch Stuttgart 21 attraktiver werden soll.

Die Zahlen scheinen doch nicht so recht zueinander zu passen.

Montag, 11. Oktober 2010

Was würde ein Ende von Stuttgart 21 für die Region bedeuten?

Die Befürworter des Projektes Stuttgart 21 befürchten, dass ein Ausstieg aus dem Projekt einen jahrelangen Stillstand bei Bahnprojekten in der Region zur Folge hätte, da die Gelder anders verwendet werden würden. Es ist sicherlich zu befürchten, dass die politischen Befürworter von S21 und die Bahn trotzig reagieren und tatsächlich die Region Stuttgart im Falle eines Projektendes durch Ignoranz „bestrafen“ werden. Würden nach einem Projektende allerdings alle Beteiligten – Stuttgart 21 Befürworter wie Gegner – an einem Strang ziehen, wäre auch folgendes Szenario möglich:

1. Die Neubaustrecke Wendlingen-Ulm wird nach einem zügigen Abschluss der ausstehenden Planfeststellungsverfahren gebaut. Die Neubaustrecke macht auch ohne den Umbau des Bahnknotens Sinn, wie geplant würde diese 2019/2020 fertiggestellt. Die Reisezeit zwischen Stuttgart und Ulm über NBS und Neckartal würde sich auf ca. 34 Minuten reduzieren, geringfügig mehr als mit dem Umbau des Bahnknotens, aber ca. 20 Minuten weniger als heute. Für diesen Abschnitt sind die Planungen weitestgehend abgeschlossen und die Finanzierung steht.
Bereits getätigte Investitionen für diesen Abschnitt in der Höhe von ca. 170 Mio. Euro wären nicht vergeudet.

2. Bahn, Stadt, Land und Bund einigen sich auf eine Ertüchtigung des alten Kopfbahnhofs samt Gleisvorfeld. Wenn es 1995 als realistisch eingeschätzt wurde bei entsprechendem Willen, dass Stuttgart 21 2008 hätte fertig gestellt werden können, müsste diese Planungs- und Bauzeit auch für eine Erneuerung des Kopfbahnhofs möglich sein. Dass Stuttgart 21 nicht 2008 fertig gestellt wurde, liegt ja vor allem daran, dass Ende der 90er die Bahn das Projekt gar nicht mehr weiterverfolgt hatte und danach bis 2004 ewig über die Finanzierung diskutiert wurde. Würde also mit vereinten Kräften an Finanzierung, Planung und Bau der Modernisierung des Kopfbahnhofs gearbeitet werden, so könnte ausgehend von einer 13 jährigen Planungs- und Bauzeit 2024 der erneuerte Bahnhof fertig gestellt werden, ca. vier Jahre später als die derzeitig geplante Fertigstellung von Stuttgart 21.
In diesem Falle müssten die laut Bahn bereits entstandenen 260 Mio. Euro Planungskosten weitestgehend abgeschrieben werden. Die Erneuerung des Kopfbahnhofs würde laut Bahn ca. 1,5 Mrd. Euro kosten.

3. Gegebenenfalls könnte zusätzlich noch die im Kopfbahnhof 21 vorgesehene Filderauffahrt und/oder der Flughafenanschluss realisiert werden – vorausgesetzt die Beteiligten sind bereit die Kosten dafür aufzubringen.

4. Die Areal A1, und innerer Nordbahnhof können wie geplant für die Stadtentwicklung genutzt werden. Das Postgelände könnte als Parkerweiterung dienen. Zusammen 30-35 Hektar.

Etliche Vorteile von Stuttgart 21, wie die verkürzte Reisezeit zwischen Stuttgart und Ulm, die Entlastung des Filstals, die Modernisierung des Bahnhofs und die Stadtentwicklung wären also trotz Abschreibungen auf die Planungen für ca. 4,65 Mrd. Euro statt 7 Mrd. Euro zu haben! Und viele Vorteile wären bereits 2019/2020 realisiert, ein weiterer Teil ca. vier Jahre später.

Vielleicht ist das ja eine Idee für Herrn Geissler als Schlichter.

Sonntag, 10. Oktober 2010

Warum werden öffentliche Projekte oft viel teurer?

Beim Bahnprojekt Stuttgart 21 befürchten Kritiker, dass das Projekt am Ende viel teurer wird als geplant. Der derzeitige Planungsstand der Deutschen Bahn für den Umbau des Bahnknotens in Stuttgart beläuft sich auf ca. 4,1 Mrd. Euro, bereits deutlich mehr als zunächst angenommen. Bundesrechnungshof, Bundesumweltamt und das Beratungsunternehmen Vieregg & Rössler gehen von weit höheren Kosten aus.

Dass an den Kostenschätzungen der Deutschen Bahn gezweifelt wird, liegt sicher daran, dass bei fast allen öffentlichen Bauprojekten am Ende die Kosten höher sind als zunächst angenommen. Die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung hat dem Thema heute einen ganzseitigen Artikel gewidmet. Im Artikel wird mehrmals Prof. Werner Rothengatter zitiert, der einerseits in einer Wirtschaftlichkeitsstudie aus Sicht des Landes Baden-Württemberg zum Schluß kommt, Stuttgart 21 sei wirtschaftlich, gleichzeitig aber auch kritisiert, wie bei öffentlichen Projekten "... in den Ministerien und Behörden willkürlich Zahlenwerke zurechtgebogen und Risiken vertuscht..." werden. Laut einer Studie die von Prof. Rothengatter miterstellt wurde, werden öffentliche Projekte im Schnitt 50% teurer als geplant, während gleichzeitig der spätere reale Nutzen im Schnitt 30% geringer ist, als zunächst veranschlagt.     

Hier der komplette lesenswerte Artikel aus der FASZ, zum vergrößern bitte anklicken.

Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, S. 44 vom 10.10.2010

Der Hörfunkbeitrag des SWR2 Die Kostentrickser hat das gleiche Thema behandelt.

Freitag, 8. Oktober 2010

Bringt Stuttgart 21 Aufträge für die Wirtschaft in der Region Stuttgart?

Auf der Seite des Bahnprojektes Stuttgart-Ulm werden die bisher für das Projekt Stuttgart 21 beauftragten  Firmen aufgeführt. Derzeit handelt es sich wohl um 10 Unternehmen. Leider kommt nur eines davon aus der Region.

   BalfourBeatty   
   81373 München

   Duensing       
   31535 Neustadt / Eilvese
     
   Hölscher Wasserbau   
   49733 Haren
     
   Klenk       
   64397 Modautal

   Klostermann       
   59071 Hamm-Uentrop

   Sersa GmbH       
   CH-8048 Zürich, Schweiz      

   Terrasond       
   89312 Günzburg-Deffingen
     
   Thales              
   92526 Neuilly-sur-Seine Cedex, Frankreich
      
   Walthelm       
   90482 Nürnberg

   Wolff & Müller   
   70435 Stuttgart

Natürlich gibt es Vergaberichtlinien und Ausschreibungen für die einzelnen Gewerke, diese werde z.T. europaweit ausgeschreiben. Wenn man allerdings weiß, dass 90% der beteiligten Unternehmen von außerhalb kommen, darf man nicht behaupten, dass das gesamte Investitionsvolumen der Region zu gute kommt!

Dienstag, 5. Oktober 2010

Wirtschaftliche Bedeutung Stuttgart 21 für den Flughafen Stuttgart

Welche Erwartungen hat die Flughafengesellschaft bzgl. des Anschluss an das Fernverkehrsnetz durch das Projekt Stuttgart 21? Rentieren sich die Erwartungen an zusätzliches Passagieraufkommen bezogen auf die durch die Flughafengesellschaft getätigte Investitionen im Rahmen des Projektes Stuttgart 21?

Ein Blick in den Geschäftsbericht von 2009:

Die FSG, die insgesamt 359 Millionen Euro in das Projekt investiert, erwartet von dem vorgesehenen ICE-Bahnhof am Flughafen eine enorme Standortverbesserung für die gesamte Filderregion. Nach Expertisen von Intraplan Consult GmbH ermöglicht der neue Anschluss an das Hochgeschwindigkeits- und Regionalzugnetz bis zu 1,5 Millionen zusätzliche Fluggäste aus einem vergrößerten Einzugsbereich und besserer Erreichbarkeit.“ (Geschäftsbericht Flughafengesellschaft 2009, Seite 9)

In den Finanzierungsvereinbarungen zu Stuttgart 21 ist für den Flughafen eine Beteiligung von ca. 339 Mio. EUR vorgesehen. Die Differenz zu den im Geschäftsbericht erwähnten 359 Mio. EUR sind demzufolge an anderer Stelle vage beschriebene zusätzliche Leistungen der Flughafengesellschaft zur Schaffung peripherer Infrastruktur um den zu bauenden Fernbahnhof.

Weiter kann diesem Absatz entnommen werden, dass die Flughafengesellschaft von 1,5 Millionen zusätzlicher Fluggäste pro Jahr ausgeht.

Weiter sind im Geschäftsbericht der Flughafengesellschaft folgende Passagen zu lesen:

Die Flughafengesellschaft plant für den Zeitraum bis 2019 ein Investitionsvolumen von ca. 316 Mio. m. Darin enthalten sind Investitionszuschüsse in Höhe von ca. 108 Mio. m an die DB Netz AG für das Projekt Stuttgart 21 und die Anbindung des Flughafens Stuttgart an die europäische Fernbahntrasse. Weitere Zahlungen von bis zu ca. 119 Mio. m sind ab dem Jahr 2020 fällig. Dadurch kann der Flughafen Stuttgart gegenüber den Flughäfen Frankfurt, München und Zürich im Wettbewerb besser bestehen und zusätzliche Fluggastpotenziale erschließen. Die Investition ist deshalb wirtschaftlich vorteilhaft.“ (Geschäftsbericht Flughafengesellschaft 2009, Seite 13)

Die Flughafengesellschaft spricht also davon dass die Investition wirtschaftlich vorteilhaft sei und nicht davon, dass sich die Investition rentiert!

Ich möchte im Folgenden eine genauere Rechnung zur Rentabilität von Stuttgart 21 für den Flughafen aufstellen.

Die Finanzierung von Stuttgart 21 durch die Flughafengesellschaft sieht im Detail wie folgt aus. Die Zahlungsströme sind der Mitteilung der Landesregierung an die Landtagsabgeordnete zu den Finanzierungsverträgen zum Bahnprojekt Stuttgart-Ulm entnommen und um Informationen aus dem Geschäftsbericht des Flughafens ergänzt.

Jahr   Zahlung
    (Mio. EUR)
2008112.242.000
20090
20100
20112.900.000
20122.900.000
20132.900.000
20142.900.000
20152.900.000
20162.900.000
20172.900.000
201845.200.000
201942.300.000
2020119.400.000


Für die Erträge wird der Passagierzuwachs wie im Geschäftsbericht genannt angenommen, wobei für die ersten zwei Jahre nach Fertigstellung zunächst von einer Anlaufphase mit einem schrittweisen Anstieg auf das von der Flughafengesellschaft erwarteten zusätzlichen Passagieraufkommen ausgegangen wird.

Jahr  zusätzliches
    Passagieraufkommen
20200,7 Mio.
20211,2 Mio.
ab 20221,5 Mio.


Aus dem Geschäftsbericht 2009 lassen sich pro Passagier für die Jahre 2005 bis 2009 ein durchschnittlicher Umsatz von 21,76 EUR und ein durchschnittlicher Gewinn von 2,47 EUR entnehmen. Dieser Gewinn pro Passagier soll für die Berechnung der Erträge herangezogen werden.

Weiter wird bei der Berechnung von einer Jährlichen Inflationsrate von 1,5% ausgegangen und die zukünftigen Kosten wie auch Erträge werden mit 6% abdiskontiert, was eine hohe Gewissheit der Kosten und Erträge unterstellt.

Hieraus ergibt sich ein Barwert für Investitionen und Erträge bis zum Jahr 2050 von ca. -222 Mio. EUR.! Kein privatwirtschaftliches Unternehmen könnte und würde solch ein Engagement eingehen. Die Flughafengesellschaft wird hier durch die Eigentümer geradezu asugequetscht, wie man es sonst nur von Finanzinvestoren (auch Heuschrecken genannt) kennt.


Ganz offensichtlich ist die Beteiligung der Flughafengesellschaft am Projekt Stuttgart 21 für diese nicht rentabel. Vielmehr geht es wohl darum die Höhe der direkten Steuermittel, die in das Projekt Stuttgart 21 fließen, niedriger erscheinen zu lassen. Freilich sind die Finanzierungsmittel der Flughafengesellschaft genauso öffentliche Gelder, gehört die Flughafengesellschaft doch Stadt und Land.

Noch eine Überlegung, was 1,5 Mio. zusätzliche Passagiere für die Kapazität des Flughafens bedeutet: 2007 hatte der Flughafen 10,3 Mio. Passagiere, mit dem von der Flughafengesellschaft angenommenen jährlichen Wachstum des Passagieraufkommens von 2% und der erwarteten Passagierzunahme durch Stuttgart 21, ergibt sich dann ein jährliches Passagieraufkommen von ca. 14,0 Mio. Passagieren. Sind die heutigen Kapazitäten dafür ausreichend? Alle anderen Verkehrsflughäfen in Deutschland mit einem vergleichbaren Verkehrsaufkommen (Berlin-Tegel, Düsseldorf, Hamburg, Köln/Bonn) haben zwei Startbahnen. Eine Erweiterung des Flughafens Stuttgart-Echterdingen um eine zweite Startbahn wird damit wahrscheinlicher, bzw. der avisierte Passagierzuwachs lässt sich sonst gar nicht realisieren!

Quellen:
Geschäftsbericht Flughafen Gesellschaft
Mitteilung der Landesregierung zur Finanzierung von S21

Montag, 4. Oktober 2010

Stuttgart 21: Hintergrundinformationen zum Baumbestand in Stuttgarter Parks

In der Ausgabe vom 30. September 2010 liefert das Stuttgarter Amtsblatt Hintergrundinformationen zum Baumbestand in Stuttgarter Parks und Grünanlagen und damit verbundenen jährlichen Pflegemaßnahmen.
Quelle: Stuttgarter Amtsblatt 30.9.2010, Seite 3
Nachdem laut dem Amtsblatt im Schloßgarten und Rosensteinpark heute rund 3880 Bäume auf ca. 100 Hektar stehen, ist es allerdings schwer nachzuvollziehen, dass auf den 20 Hektar der Parkerweiterung einmal 5000 Bäume stehen sollen.

Die mögliche Verpflanzung alter Bäume ist übrigens eine neue Option, die wohl nicht zuletzt als Reaktion auf die anhaltendenen Demonstrationen gesehen werden muss.

Dazu auch der Artikel 5000 Bäume für Stuttgart 21.