Warum diese Seite?

Als die Proteste gegen Stuttgart 21 Ende 2009 stärker wurden, habe ich mich intensiver mit dem Thema "Stuttgart 21" auseinandergesetzt, mittels diverser Medien: Zunächst die Lokalpresse, Websites von Befürwortern und Gegnern usw. Leider hatte ich das Gefühl, dass insbesondere Tageszeitungen eher oberflächlich berichten und oft nicht genügend in die Tiefe gehen. Inzwischen habe ich mit diversen Politikern, dem Projektbüro von Stuttgart 21, Ämtern und anderen Stellen kommuniziert und mir mein eigenes Bild über Stuttgart 21 gemacht. Ich möchte meine Erkenntnisse mittels dieser Seite teilen. Mehr über mich.

Mittwoch, 20. Juli 2011

Ablauf des Stresstests zu Stuttgart 21

Im Laufe der kommenden Woche wird das Ergebnis des Stresstests zu Stuttgart 21 der Öffentlichkeit vorgestellt. Aus diesem Anlass möchte ich den Ablauf des Stresstests, der dann über ein halbes Jahr gedauert haben wird, vorstellen. Der Stresstest ist eine realitätsnahe Betriebssimulation des Fahrplans von Stuttgart 21 mittels Software, dabei werden auch die Auswirkungen von Störungen auf den Betrieb simuliert.

Zur Erinnerung zunächst nochmals die Aufgabe des Stresstests, im Schlichterspruch von Heiner Geißler heißt es unter Punkt 12

„Die Deutsche Bahn AG verpflichtet sich, einen Streßtest für den geplanten Bahnknoten Stuttgart 21 anhand einer Simulation durchzuführen. Sie muß dabei den Nachweis führen, daß ein Fahrplan mit 30 Prozent Leistungszuwachs in der Spitzenstunde mit guter Betriebsqualität möglich ist. Dabei müssen anerkannte Standards des Bahnverkehrs für Zugfolgen, Haltezeiten und Fahrzeiten zur Anwendung kommen. Auch für den Fall einer Sperrung des S-Bahn-Tunnels oder des Fildertunnels muß ein funktionierendes Notfallkonzept vorgelegt werden. Die Projektträger verpflichten sich, alle Ergänzungen der Infrastruktur, die sich aus den Ergebnissen der Simulation als notwendig erweisen, bis zur Inbetriebnahme von S 21 herzustellen. Welche der von mir vorgeschlagenen Baumaßnahmen zur Verbesserung der Strecken bis zur Inbetriebnahme von S 21 realisiert werden, hängt von den Ergebnissen der Simulation ab.“

Das Ergebnis des Stresstests soll in erster Linie darüber entscheiden, ob die in der Schlichtung unter Punkt 11.6 vorgeschlagenen Verbesserungen umgesetzt werden müssen, diese sind im Einzelnen:

  • Erweiterung des Tiefbahnhofs um ein 9. und 10. Gleis.
  • Zweigleisige westliche Anbindung des Flughafen Fernbahnhofs an die Neubaustrecke - Zweigleisige und kreuzungsfrei angebundene Wendlinger Kurve
  • Anbindung der bestehenden Ferngleise von Zuffenhausen an den neuen Tunnel von Bad Cannstatt zum Hauptbahnhof.
  • Ausrüstung aller Strecken von S 21 bis Wendungen zusätzlich mit konventioneller Leit- und Sicherungstechnik.


Der Stresstest im Einzelnen

Der Stresstest besteht aus mehreren Schritten, die gegebenenfalls mehrmals durchlaufen werden (Quelle: Deuitsche Bahn)


Erster Schritt: Die Abbildung der Infrastruktur im Fahrplansystem

Der erste Schritt für die Überprüfung der Leistungsfähigkeit des Bahnhofs Stuttgart 21 ist die Abbildung der neuen Infrastruktur in den Fahrplan-Systemen. Zur Infrastruktur gehören die Schienenwege, die Signale, die Leit- und Sicherungstechnik, die Höhenprofile sowie die Geschwindigkeitsvorgaben.

Zusätzlich zu den ursprünglichen Plänen zu  Stuttgart 21 müssen auch die fünf im Schlichterspruch vorgeschlagenen Optionen abgebildet werden. Diese können dann, je nach Notwendigkeit für den Leistungsnachweis in den Fahrplan aufgenommen werden

Zweiter Schritt: Konstruktion des Fahrplans

Ziel des Stresstests ist der Nachweis, dass in der Spitzenstunde der Hauptverkehrszeit (zwischen 7 und 8 Uhr) 30% mehr Züge abgefertigt werden können, als das beim heutigen Kopfbahnhof der Fall ist. Das heißt es müssen innerhalb dieser Spitzenstunde 49 Züge im neuen Hauptbahnhof ankommen und abfahren können. Die Zugverbindungen werden in das landesweite Fahrplankonzept integriert, in dem die wichtigen Taktstrukturen in Baden-Württemberg berücksichtigt sind. Übrigens orientiert sich das landesweite Fahrplankonzept an den Vorgaben des Landes Baden-Württemberg, das dem Regionalverkehr bei der Bahn bestellt. Bei dem Einbau neuer Zugverbindungen werden auch die Haltezeiten im Bahnhof definiert. Diese sollten so festgelegt sein, dass alle Fahrgäste, auch Kinder, Ältere und mobilitätseingeschränkte Personen, ihre Anschlusszüge bequem und ohne Stress erreichen können.

Dritter Schritt: Fahrplansimulation

Der nun erstellte Fahrplan wird einer ersten Qualitätskontrolle mittels Fahrplansimulation unterzogen. In dieser werden alle erstellten Zugverbindungen in der Region durchgespielt, auf Konflikte überprüft und somit Fehler sichtbar gemacht. Gegebenenfalls wird der Fahrplan nachgebessert. Ist der gewünschte Fahrplan konfliktfrei, könnte er gefahren werden, allerdings ist zu diesem Zeitpunkt noch nicht klar, wie tolerant der Fahrplan bzgl. einzelner Verspätungen und Störungen ist.


Vierter Schritt: Die Betriebssimulation

Die Betriebssimulation zeigt wie sich Störungen im Bahnbetrieb (z.B. technische Probleme von einzelnen Zügen, witterungsbedingte Störungen, Unfälle etc.) in Verspätungen auswirken und wie sich diese Verspätungen fortpflanzen, aufschaukeln oder im Idealfall abbauen.
An sich wird der Fahrplan von Anfang an so konstruiert, dass einzelne Verspätungen nicht das gesamte System beeinträchtigen und auftretende Verzögerungen möglichst schnell reduziert werden können. Es wird eine Vielzahl von Simulationsläufen durchgeführt, um eine gute statistische Grundlage zu haben und entsprechend eine valide Entscheidung treffen zu können. Je nach Ergebnis werden bei der Bahn drei Betriebsqualitäten unterschieden:
  • Premiumqualität (gute Betriebsqualität), wenn Verspätungen sukzessive abgebaut werden
  • Wirtschaftlich optimale Betriebsqualität, wenn Verspätungen konstant bleiben
  • mangelhafter Betriebsqualität, wenn Verspätungen sich fortpflanzen und letztendlich ansteigen
Ist das Ergebnis der Betriebssimulation nicht befriedigend, muss der Fahrplan (Schritt 2) überarbeitet werden und danach die Schritte drei und vier wiederholt werden. Ergibt der überarbeitete Fahrplan kein besseres Ergebnis der Betriebssimulation, ist eine veränderte Infrastruktur (Schritt 1) notwendig und danach der Durchlauf der Schritte zwei bis vier. Und so weiter.

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